Klimakrise - Keine Angst. Visier hoch. Kämpfen.

Status heute: Wir waren zu langsam für das Klima

 

Zunächst: Was als Klimawandel wohl nicht ganz ungewollt semantisch verharmlosend in den 70er Jahren begann, ist heute zur Klimakrise mutiert, die sich nicht mehr ignorieren lässt: Der Regenwald brennt, die Westküste der USA erlebt gerade ein Feuerdesaster, die Meere versauern, in der Antarktis schmilzt das Eis und die Hitzewellen in Sibirien haben nie gekannte Ausmaße erreicht, was die Permafrostböden auftauen lässt. Die Liste ließe sich jetzt endlos weiter fortführen – die Krise hat Fahrt aufgenommen und Prozesse in Gang gesetzt, die das Ganze in Zukunft noch weiter beschleunigen werden. Dennoch: Weltweit gibt es seit Jahrzehnten so gut wie keine ernsthaften Bemühungen, irgendetwas grundlegend zu ändern. Wir sind zu langsam. 

 

Die Beharrungskräfte in den Gesellschaften waren zu mächtig, allerorts grassiert der subtile  Lobbyismus der fossilen Industrie und die ideologischen Bremser in den Parlamenten waren zu stark, sind es noch. Ein Blick auf das deutsche Klimapaketchen, die beschlossenen Laufzeiten für unsere Kohledreckschleudern und Minister wie Andreas Scheuer, Peter Altmaier und Julia Klöckner machen das recht deutlich. Es ist einfach zu viel Geld im Spiel, und dieses Geld gehört den fossilen Urgesteinen, die sich ihr Geschäftsmodell mit der passenden neoliberalen Ideologie nicht kaputt machen lassen wollen. 

 

Professor Hermann Lotze-Campen von der Humbold-Universität Berlin hat es unlängst so auf den Punkt gebracht: „Es geht jetzt darum, das Unbeherrschbare zu vermeiden und das Unvermeidbare zu beherrschen.“ 


"Es gilt Abschied zu nehmen von Gewohnheiten, von denen manche unsinnig sind, und herauszufinden, welche neuen und spannenden Optionen sich mit dem Klimawandel eröffnen." (Irene Neverla, Kommunikationswissenschaftlerin)


Den Geist für eine pragmatische Sicht freimachen … 

 

Der Zug, den Klimawandel aufzuhalten, ist abgefahren. Nun geht es darum, die Krise nicht in eine völlige Katastrophe münden zu lassen. Das klingt zunächst unangenehm und verhängnisvoll. Auf der anderen Seite macht diese Haltung aber auch den Geist frei für eine sehr pragmatische Sicht auf die Klimakrise. Wie können wir uns bestmöglich für viele Menschen mit dem Klimawandel arrangieren – etwa, indem wir uns einrichten in den heißen Klimazonen mit vermehrten Dürren, sinkenden Wasserspiegeln, heftigen Waldbränden, Stürmen und Überschwemmungen? Das wird nicht nur teuer, sondern bedeutet für viele Menschen vielleicht auch, ihre Heimat verlassen zu müssen und alles zu verlieren. Es bedeutet viel menschliches Leid. 

 

Unsere Welt wird sich in den nächsten Jahrzehnten stark verändern. Das ist keine Befürchtung, das ist ein Fakt. Unsere Anstrengungen zur CO2 Reduktion werden weltweit eine neue Dimension erreichen müssen, unser Naturverbrauch wird deutlich schrumpfen müssen, wir brauchen eine komplett neue Haltung gegenüber der Natur, deren Teil wir sind. Wir werden Abschied nehmen müssen von vielen liebgewonnen Überflüssigkeiten. Wir brauchen neue technische Lösungen. Und wir brauchen kühnere Fantasien als die, die in den engen Grenzen des individualistischen Neoliberalimus oder selbst unter progressiven Linken gemeinhin üblich sind.

 

Gemeinschaft bringt das Paradies in jede Hölle

 

Wir wissen: Das macht Angst. Auf der anderen Seite rücken Menschen als Kollektiv immer zusammen, wenn es eng wird. Deshalb bietet die langanhaltende Krise, in die wir gerade eintreten, ohne Zweifel auch eine Chance. Die weitverbreitete Meinung, Katastrophen würden stets Grausamkeit und Gleichgültigkeit, die einfach in der menschlichen Natur lägen, zum Vorschein bringen, ist nachweislich falsch. Im Gegenteil bringen harte Zeiten Großzügigkeit, Gemeinschaft, wenn es ganz hart kommt sogar so etwas wie einen "spontanen, undogmatischen Kommunismus“ hervor, wie es die Katastrophenforscherin Rebecca Solnit, die ein Buch mit dem vielsagenden Titel  „A Paradise Built in Hell“ geschrieben hat, es nennt. 

 

Vielleicht, oder hoffentlich, wird diese Krise zu einem Durchbruch des menschlichen Geistes führen, zu einem neuen Bewusstsein für eine Zivilisation, die im Einklang mit der Natur lebt, deren Teil sie ist. 

 

Das ist es wohl, was „Krise als Chance“ eigentlich meint. Also: Keine Angst. Visier hoch. Kämpfen. 

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