Eine neue Lebensphase. Geschenkt!

Jeden Tag sechs Stunden Lebenszeit mehr – cool, aber wohin damit?

 

Als Einstieg ins Thema gibt es ein bisschen positiven Zahlensalat garniert mit einem Quäntchen Soziologie. Aber zunächst mal zu den nackten Zahlen: In den letzten 50 Jahren stieg die Lebenserwartung Neugeborener in Westdeutschland um jeweils 2,2 Jahre pro Jahrzehnt. In den letzten 100 Jahren seit Bestehen der Regelaltersgrenze hat sich die Lebenserwartung um mehr als 30 Jahre erhöht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts betrug die Lebenserwartung der Frauen in Deutschland 48 und die der Männer 45 Jahre. Heute liegt sie bei 82 und 77 Jahren.  Und dabei bleiben wir vergleichsweise fit. Wie Methusalem, der gemäß dem Bibelbericht 969 Jahre alt wurde und damit der älteste in der Bibel erwähnte Mensch überhaupt ist.

 

In Realität hat sich da ein komplett neuer Lebensabschnitt zwischen Erwerbsleben und Ruhestand etabliert, für den niemand ein angemessenes Wort findet. Grob gerechnet sind da plötzlich 20 Jahre, mit denen Sie etwas anfangen können, ohne den Zwängen des Berufslebens gerecht werden zu müssen, mit (Alters-)Abstrichen gesund und überwiegend auch ausreichend (Der eine mehr der andere weniger) materiell versorgt sind. Davon haben Sie immer geträumt! Oder?

"Etwas Gewaltiges ist im Gange. Etwas, das unsere Gesellschaft radikal verändert und unser Leben auf freundliche Weise revolutioniert. Es vollzieht sich langsam, aber aufzuhalten ist es nicht." (Focus Artikel "Da geht noch was" vom 12.10.18)

 


Schöne neue Welt des Durcheinanders

 

Was gemeinhin vergessen wird: Die bisherige Auffassung einer Dreiteilung des Lebens in Ausbildung, Erwerbstätigkeit und Ruhestand ist eine kulturell definierte Ordnung, die uns so beigebracht wurde. Obwohl Zeitstrukturen sozial konstruiert sind, werden sie von uns als etwas faktisch Gegebenes oder Objektives von natürlicher Beschaffenheit interpretiert. Dabei steht hinter der Struktur das Bedürfnis der Gesellschaft (und insbesondere der Industrie) nach einer Synchronisierung – das lässt sich einfach besser organisieren. Aber genau so wie sich Ausbildung heute über ein ganzes Erwerbsleben hinzieht, ist das Nach-Erwerbsleben eben nicht mehr "nur" der fallende Ausklang eines dreigeteilten Lebens. Er ist gestaltbarer Ausdruck des Fortschritts, eine neu gewonnene Lebensphase. Eine wachsende Anzahl junger Menschen nimmt sogar Anleihen daran: Sabbaticals für persönliche Projekte und ausgiebige Reisen sind keine Seltenheit mehr – die Zeit kann man ja hinten wieder drauflegen.

Altern ist noch jung!

 

Trotz der Universalität des des biologischen Alterungsprozesses ist Alter – wie Jugend – eine kulturell und gesellschaftlich definierte Größe. Und da „Altern noch jung ist“, haben wir hier wohl noch einen deutlichen Neudefinitions-Bedarf. In vielen modernen Gesellschaften wird immer noch dem Jugendkult gehuldigt und das Alter stigmatisiert. Wohl auch ein Mitgrund, warum „Älterwerden“ nicht so besonders beliebt ist. Aber passen Sie auf: Die amerikanische Alterns- und Sozialpsychologin Becca Levy hat in zahlreichen Experimenten immer wieder nachgewiesen, dass negative Altersstereotypen nicht nur zu schlechteren kognitiven Leistungen führen, sondern auch mit stärkerem Zittern der Hände, unsicherem Gehen, schlechterem Hören und weniger präventivem Verhalten einhergehen. Mehr noch: Positivere Bewertungen des Älterwerdens gehen mit einer längeren Lebensdauer einher und zwar auch bei statistischer Kontrolle von Erkrankungen zum ersten Messzeitpunkt. Tun Sie sich also einen großen Gefallen: Denken Sie sich nicht alt, denn das hat wesentlich mehr negative Auswirkungen, als Sie sich vorstellen können!

 

"Das heute vorherrschende negative Altersbild lähmt nicht nur die gesellschaftliche Entwicklung, es ist auch moralisch verwerflich. Gesund alt zu werden ist ein uralter Menschheitstraum, für den viele Generationen gekämpft haben. Jetzt wird er zum ersten Mal für einen Großteil der Bevölkerung Wirklichkeit, aber gleichzeitig von vielen massiv abgewertet. das ist paradox und völlig unangemessen." (Thomas Straubhaar / "Der Untergang ist abgesagt")

 

 

Wir „veraltern“ uns selbst!

 

Legendär sind die Versuche der Harvard-Professorin Ellen Langer, einer der Mitbegründerinnen der „Positiven Psychologie“. Aus ihrer Sicht ist der Grat zwischen einem Urteil und der sich daraus erfüllenden Prophezeiung äußerst schmal, was sie in hunderten von Experimenten immer wieder bewies. Ihr berühmtestes fand bereits Anfang der 80er Jahre statt, als sie ältere Herren um die 80 in ein Kloster einlud, in dem alles so eingerichtet war wie zu der Zeit, als diese noch zwanzig Jahre jünger waren. Dort lebten sie eine Woche lang nicht altersgerecht. Das spektakuläre Ergebnis: Nach sieben Tagen waren die Probanden körperlich beweglicher und schnitten in Hör-, Seh- und Intelligenztest besser ab als die Kontrollgruppe. Altern ist also auch eine Frage der eigenen Einstellung oder eine sich selbst erfüllende Prophezeiung – wir übernehmen einfach zu oft Überzeugungen, die unser Leben steuern, ohne sie geprüft zu haben. So programmiert begrenzen wir uns selbst. Wie sieht Ihre Einstellung zum Altern aus? Nicht so doll? Dann fangen Sie jetzt an, daran zu arbeiten und kreieren Sie Ihre eigene selbsterfüllende Prophezeiung!


Über 300 Theorien …

 

…. darüber, warum wir eigentlich altern, werden derzeit diskutiert. Die Experten sind sich bei der Beantwortung dieser Frage (wie so oft) uneinig. Jeder biologische Organismus altert, wir sehen einen biologischen Prozess, der uns das ganze Leben begleitet – von der Geburt bis zum Tod. Insbesondere medizinischer Fortschritt und die Verbesserungen der hygienischen Bedingungen in den letzten 100 Jahren haben zu der immensen Verlängerung unserer Lebenszeit geführt. Aber hat Altern einen „biologischen Sinn“? Auch hier sind sich die Forscher uneinig. Dennoch gibt es einige Erkenntnisse und Theorien über den Einfluss interner und externer Faktoren und ihre Rolle beim Altern:

  • Eine Theorie besagt, dass die ältere Generation einer jüngeren, anpassungsfähigeren Platz machen muss, weil sie sich besser auf neue Umweltbedingungen einstellen kann.
  • Eine andere Theorie geht davon aus, dass die Summe der während eines Lebens auf den Körper einwirkenden Einflüsse wie UV-Strahlung, freie Radikale und Umweltgifte zu Vergiftungserscheinungen im Körper führen.
  • Es wird angenommen, dass die einzelnen Zell- und Gewebebestandteile im Laufe der Zeit durch eine Fehlfunktion der DNA ihre Funktionsfähigkeit einbüßen.
  • Einige Theorien gehen davon aus, dass hier ein „genetisches Programm“ in jeder einzelnen Zelle am Werk ist, das in vorbestimmter, festgelegter Weise abläuft.
  • Eine weitere Theorie macht biochemische Vorgänge als Folge von Umwandlungs-, Abbau- und Aufbauprozessen für das Altern verantwortlich – es bleiben freie Radikale zurück, die den Körper immer mehr schädigen.
  • Der individuelle Lebensstil mit seinen Ess- und Trinkgewohnheiten, Schlafrhythmus, Rauchgewohnheiten und vor allem Stress wird als Ursache benannt ….

…. und genau bei Letzterem können Sie eingreifen, denn natürlich hat das einen Einfluss auf fast alle vorher aufgezählten Gründe! Und es sind keinesfalls die gelegentlichen Übertretungen, die an uns nagen – es sind die tagtäglich gelebten Gewohnheiten! Aber wie steht es jetzt genau mit dem Gehirn im Alter? 

 

"Eine faszinierende Möglichkeit ist, dass die sich jünger fühlenden Personen eher ein körperlich und geistig aktiveres Leben führen, was zu einer Verbesserung der Gehirngesundheit führen könnte. Wenn sich jemand älter als sein tatsächliches Alter fühlt, könnte es ein Zeichen dafür sein, dass er seinen Lebensstil, seine Gewohnheiten und Aktivitäten, die zur Gehirnalterung beitragen, überprüfen sollte und Maßnahmen ergreifen könnte, um seine Gesundheit zu erhalten." (Frontiers in Aging Neuroscience 2018)

 


Das Gehirn: „Use it or loose it!“

 

Nein, es geht nicht steil bergab mit unserem Denkorgan, wenn wir altern – obwohl das Gehirn deutlich abbaut. Es verliert an Masse, die Zahl der Zellen nimmt etwas ab, ihre Schutzschicht wird dünner und die Nervenverbindungen funktionieren schlechter - wahrscheinlich werden wir deshalb etwas langsamer. Aber ehrlich: Es besteht kein Grund, sich deswegen gehen zu lassen! Denn unser Gehirn ist bis ins hohe Alter trainierbar, ausgefallene Nervenverbindungen werden von anderen übernommen und es werden sogar neue Zellen gebildet. Psychologen sind überzeugt: Der Geist schärft sich in mancher Hinsicht mit zunehmenden Alter sogar. Neben der „fluiden Intelligenz“, also schneller Auffassungsgabe und einem guten Gedächtnis, besitze der Mensch „kristalline Intelligenz“. Sie beruht auf Übung und setzt Gelerntes in Beziehung. Zu ihr zählen verbales Ausdrucksvermögen, Fachwissen und soziale Kompetenz, die Stärken eines reifen Gehirns. Natürlich müssen Sie Ihr Gehirn auch ordentlich benutzen, denn es verhält sich nicht anders als ein herkömmlicher Muskel – es lässt nach, wenn es nicht benutzt wird. Und es mag es, wenn Sie emotional bei der Sache und begeistert sind, das ist wie Dünger für eine förderliche Biochemie. 

Selbsterfüllend: Kreieren Sie sich Ihre eigene Prophezeiung!

 

Und das am besten ab dem 55. Lebensjahr. Denn eines Tages ist er da, fast immer überraschend, auch wenn das Datum schon lange feststand: Der neue Lebensabschnitt. Aber während es vor Jahren noch um die Ausgestaltung eines Abgesangs ging, geht es heute um Umbruch und Neugestaltung! Und entscheidend dabei ist, was Sie im Kopf haben für die kommenden Jahre, die Sie abseits der grassierenden Beschleunigung der Gesellschaft für sich gestalten können. Es lohnt sich, vieles in Ihrem Leben zu hinterfragen und nicht Gelebtes oder Verdrängtes herauszuholen und nun zu lösen. War die Arbeit (auch) ein Korsett? Kommen Sie mit Statusverlust klar? Gehen Sie davon aus, ein neues Beziehungsgeflecht aufbauen zu müssen – und das am besten bereits vorher. Denn erfahrungsgemäß leiden die Arbeitsbeziehungen recht schnell und lösen sich auf. Suchen Sie sich Menschen, die wie Sie den Umbruch segeln, denn Erfahrungsaustausch hilft und inspiriert. Studium, Politik, Arbeit, Ehrenamt, ein Buch, eine zweite Karriere, eine neue Familie oder die Weltumsegelung? Sie dürfen sich nun verwirklichen! Und am allerbesten gelingt dies, wenn Sie Ihre eigene Prophezeiung umsetzen! Deshalb ist es so wichtig, rechtzeitig daran zu arbeiten. Machen Sie was draus!


So, jetzt wissen Sie, was vor Ihnen liegt. Und Was Sie tun können, um das Beste daraus zu machen. sie haben fast alle freiheiten der welt. also denken sie sich nicht alt, sondern brechen sie mit alten denkweisen.