Gib Gas, ich will Spaß, ich will Spaß
In unserer modernen Welt wird Freiheit in erster Linie als die Abwesenheit von Beschränkungen verstanden – frei ist, wer konsumieren kann, was er will, soviel er will und wann er will. Je mehr, desto besser. Diese Interpretation, tief verwurzelt in westlichen Gesellschaften und mit dem passenden Wirtschaftssystem ausgestattet, welches genau davon abhängig ist, ist jedoch zunehmend problematisch angesichts der drängenden Umweltkrisen, die wir heute erleben. Kurz: Sie wird uns umbringen. Die globale Klimakrise, die beispiellose Erwärmung unserer Meere, das gigantische Artensterben und die Überlastung unseres Planeten sind nur einige der Herausforderungen, die eine kritische Überprüfung unserer Freiheitsauffassung einfordern – vorausgesetzt, wir haben ein echtes Interesse am Fortbestand unserer Gattung.
Formel: Frei = Mehr
Traditionell fördert die Vorstellung von Freiheit ohne Grenzen eine Kultur des "Mehr ist besser". Dies spiegelt sich in unserem Konsumverhalten, unseren Reisegewohnheiten und dem stetigen wirtschaftlichen Wachstumsdrang wider. Fernreisen, häufige Neuanschaffungen, zuletzt der Siegeszug übergroßer schwerer Autos – Letzteres ein interessantes psychologisches Phänomen in Zeiten wachsender Unsicherheit - und eine immer schneller werdende technologische Entwicklung sind nicht nur Symptome eines hyperkapitalistischen Systems, sondern gleichzeitig Treiber einer umfassenden ökologischen Destabilisierung, die im Desaster zu enden droht. Und das allen frommen Sprüchen über grünes Wachstum zum Trotz – das ist und bleibt ein unrealistischer bisher nicht zu erfüllender Wunsch.
"Das Freisein von etwas erfährt seine Erfüllung erst im Freisein für etwas." (Dietrich Bonhoeffer)
Von der negativen zur positiven Freiheit
Um einen ökologischen Kollaps zu verhindern, bleibt uns nichts anderes übrig, als alternative Freiheitsbegriffe zu kultivieren. Diese sollten nicht nur die Freiheit von Beschränkungen, sondern auch die Freiheit durch Beschränkungen umfassen. Was auch nichts Neues ist: Die Philosophie warnte schon immer vor einer Freiheit ohne Verwurzelung, die sich schnell in eine zerstörerische Kraft verwandelt. Der Philosoph Martin Heidegger z.B. bestimmt negative Freiheit als „Ungebundenheit, Freiheit von“ und positive Freiheit „als sich binden an, libertas determinationis, Freiheit zu“. Eine solche Freiheit, verwurzelt in unserer Natur als wundervoller Schöpfung, in die wir als Menschen auch gehören und deren Gesetzen wir unterworfen sind, würde zwangsläufig nachhaltigere Lebensweisen fördern und gleichzeitig unsere natürlichen Ressourcen schützen. Ja, wir sind Natur, zerstören wir sie, zerstören wir uns.
"Die Freiheit eines jeden hat als logische Grenzen die Freiheit der anderen." (Alphonse Karr)
Die Freiheit des Einen ist die Unfreiheit des Anderen
Nicht zu vergessen ist die simple Tatsache, dass die Freiheit des Einen oft die Unfreiheit des Anderen bedeutet. Denken wir nur an die globale Ungerechtigkeit zwischen der Nord- und Südhalbkugel, deren Ressourcen wir ausbeuten, deren Bewohner aber bettelarm bleiben und am allermeisten unter der von den Industrienationen verursachten Klimakrise leiden; oder an den exzessiven Wasserverbrauch in reichen Ländern für Luxusgüter wie Swimmingpools und Golfplätze, der in vielen Fällen zu Wasserknappheit in benachbarten Regionen führt. Diese Art von Freiheit – zu konsumieren, was man will, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen – führt zu einer direkten Einschränkung der Lebensqualität anderer Menschen, indem lebenswichtige Ressourcen ungleich verteilt werden. Aktuell in den Schlagzeilen ist der horrende Anteil der Superreichen an den CO2-Emissionen: Die ärmere Hälfte der Welt emittiert durchschnittlich 1,4 Tonnen CO2-Äquivalente pro Person und Jahr, bei den Superreichen, den Top 0,01 Prozent, sind es sagenhafte 2300 Tonnen. An den Folgen leiden alle.
Transformative Projekte und die Rolle der Gemeinschaft
Transformative Projekte spielen eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung eines ökologischen Kollapses. Letztendlich basieren sie auf auf der Eigenschaft, die unser Erfolgsticket in der Evolution war: Unsere einzigartige Kooperationsfähigkeit. Durch die Förderung von Projekten, die auf Gemeinschaft und Kooperation statt auf Wettbewerb und Gewinnmaximierung basieren, können wir eine Gesellschaft schaffen, die sowohl freier als auch nachhaltiger ist. Solche Projekte ermöglichen es uns, zusammenzuarbeiten und innovative Lösungen für gemeinsame Probleme zu entwickeln, anstatt in isolierten Blasen zu agieren. Letztendlich können sie auch den Brückenschlag zu einer anderen Form von Wirtschaft bilden, einer Wirtschaft, die tatsächlich Probleme löst und keine weiteren schafft.
Zeit für einen BrainChange!
Es ist an der Zeit, unsere Auffassung von Freiheit zu erweitern, um den Planeten für zukünftige Generationen zu erhalten und zu schützen. Lasst uns so frei sein, uns wieder als die Naturwesen zu begreifen, die wir sind. Wir stehen nicht über der Natur, sondern sind verwurzelt in diesem Wunder, auf diesem Planeten, den wir uns mit vielen anderen Lebewesen teilen. Lasst uns frei sein für den Erhalt und die Pflege dieses einzigartigen Raums, den wir nur noch als Ressource zur Befriedigung unserer maßlos gewordenen Bedürfnisse betrachten. Eigentlich müsste es auch der/die Letzte begriffen haben: Das gibt er nicht mehr her.
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