Der Kampf der Generationen - vorläufig noch abgesagt.

Deutschland – die Jugend lebt jetzt woanders

 

Deutschland hat die älteste Bevölkerung Europas und die zweitälteste der Welt. Und sie wird immer älter, wie aktuelle Zahlen zeigen. Anfang 2018 waren knapp 18 Millionen Menschen in Deutschland fünfundsechzig Jahre oder älter. Das ist mehr als jeder Fünfte und es werden noch mehr. Berechnungen zufolge könnten es im Jahr 2060 fast 24 Millionen Menschen sein; übrigens mehr Frauen als Männer, sie leben einfach länger. Hauptgrund für den „Boom der Alten“ ist neben der verbesserten gesundheitlichen Versorgung insbesondere die massiv gewachsenen Lebenserwartung und der Umstand, dass die „Baby-Boomer“, also die geburtenstarken Jahrgänge, nun in die Jahre kommen. Natürlich hat das viele Implikationen, von denen wir hier die wichtigsten kurz skizzieren möchten. 

 

 Höchste Zeit, klar Position zu beziehen: Ein „zwischendrin“ gibt es nicht mehr!

 

Bei den Wahlberechtigten dominieren weiter zunehmend die Älteren, wie der Bundeswahlleiter die Bundestagswahl 2017 kommentierte. Bereits bei der letzten Wahl umfasste die Generation ab 60 mit knapp 22,4 Millionen gut ein Drittel aller potentiellen Wähler und damit rund doppelt so viele wie die jüngere Generation unter 30 Jahren, die mit 9,2 Millionen Stimmberechtigten nur knapp ein Sechstel aller Wahlberechtigten ausmachte. Nun gibt es den Trend, dass die Älteren zunehmend häufig von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen, während die Jüngeren unter 30 nur unterdurchschnittlich häufig wählen gehen. Eingedenk der demographischen Entwicklung steigt also das politische Einflusspotential der älteren Wahlberechtigten weiter an

Übergabe - jetzt  werden die Konfliktlinien immer deutlicher.
Übergabe - jetzt werden die Konfliktlinien immer deutlicher.

Angesichts der großen Herausforderungen unserer Zeit birgt diese Entwicklung natürlich auch Konfliktpotential zwischen den Generationen: Am schmerzhaftesten wird dies in der Rentenpolitik, aber auch in Sachen Bildung, Verkehr und insbesondere Ökologie (Stichwort "Klimakatastrophe") deutlich. „Feigheit vor Reformen bedient die alternde Mehrheit“, so der Vorwurf. 

 

Aktionen wie die Kampagne „Wir kündigen den Generationenvertrag“ (https://wirkuendigen.de/) durch die Generationen-Stiftung waren erste Vorboten der aufbrechenden Konfliktlinien. Einige Soziologen warnen bereits vor einem künftigen „Krieg der Generationen“. Jeder sollte sich aktiv in diese Debatte einbringen, den Dialog suchen, denn es geht um nichts anderes als die Neuaushandlung der zukünftigen Lastenverteilung in unserer Gesellschaft. 

 

Das kürzlich erschienene Buch „Ihr habt keinen Plan – darum machen wir einen“ vom Jugendrat der Generationen Stiftung bringt die Versündigung der Gesellschaft und Politik an der Zukunft der Kinder in einer ganz neuen Qualität auf den Punkt. „Sie haben sich den Fakten gestellt und nicht so getan, als gäbe es sie nicht.“ (Harald Lesch). Was neben dem radikalen Maßnahmen-Katalog gegen die Klimakrise aber besonders aufhorchen lässt, ist das überaus eindringliche Vorwort „An die Generation ´Not Gonna Happen`“, das wenig Interpretationsspielraum zulässt und ganz klar zur Sache kommt: 


„Nehmt uns ernst, statt uns weiter zu belächeln. Stellt euch hinter uns. Am Ende verlangen wir und der Ernst der Lage von jedem eine Entscheidung. Mit uns oder gegen uns. Ein „zwischendrin“ gibt es nicht mehr. Ein „Das geht nicht“ verstehen wir als ein „Wir wollen nicht“. Die Generation „Not Gonna Happen“ verspielt unsere Zukunft. Die neue Generation will jetzt um sie kämpfen. Es geht um alles. Noch steht ihr nicht an unserer Seite. Es wird höchste Zeit, dass ihr es tut.“ 


Der Erdüberlastungstag - nach uns die Sintflut?

 

Kennen Sie diesen jährlichen „Gedenktag“? Der „Earth Overshoot Day“ markiert einmal jährlich den Tag, an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen verbraucht hat, die die Erde in einem Jahr regenerieren kann. Das, was wir an Treibhausgasen ausstoßen (Stichwort "Klimakatastrophe"), an Wasser verbrauchen oder für unseren Konsum verarbeiten, wird aufgerechnet gegen die Fähigkeit der weltweiten Ökosysteme, Ressourcen zu erneuern und Abfälle aufzunehmen. Dieses Jahr (2019) fiel der Earth Overshoot Day bereits auf den 03. Mai, letztes Jahr war es noch der 01. August, im Jahr davor lag er noch einen Tag später, im Jahre 2016 sogar eine Woche. Inzwischen wären 1,7 Erden notwendig, um unseren Ressourcenverbrauch zu decken. Aber das ist nur der Durchschnitt: Würden alle Erdenbewohner wie US-Amerikaner leben, bräuchten wir jedes Jahr fünf Erden, Deutschland immerhin stolze drei.

 

Salopp gesprochen plündern wir unseren Planeten auf Kosten zukünftiger Generationen. Und obwohl wir wissen, dass unendliches Wirtschaftswachstum sich nicht vom Ressourcenverbrauch entkoppeln lässt, predigen unsere Politiker und Wirtschaftsverbände unentwegt das Mantra vom Wachstum. Es kann nicht verwundern, wenn sich die folgenden Generationen zunehmend übers Ohr gehauen fühlen, wir hinterlassen ihnen Mangel und Dreck. Wer könnte es ihnen verdenken, da sauer zu reagieren? Wäre es nicht Sache der älteren Generation, hier aktiv in die Diskussion einzugreifen, sich zu organisieren, mitzugestalten, bewusster zu leben und zu konsumieren? Oder gilt die Maxime "Nach uns die Sintflut."?  Allen momentanen Studien nach ändert der Einzelne für sich überwiegend nichts, und die Politik behandelt das Thema eher stiefmütterlich, verfehlt sogar ihre bescheidenen Klimaziele für 2020 und verliert sich in grokoalitionären Grabenkämpfen - was die Annahme einer gewissen Gleichgültigkeit durchaus rechtfertigt ... 

 

Inzwischen haben sich die Zeilen bewahrheitet, mit der "Fridays for Future" - Bewegung und ihren Klimastreiks an Freitagen hat sich eine globale Schüler- und Studierendenbewegung etabliert, die sich für den Klimaschutz einsetzt und den politisch Verantwortlichen komplettes Versagen gegenüber dem menschengemachten Klimawandel vorwirft. Dieser bedrohe ihre Zukunft und die nachfolgender Generationen, er "stelle eine schon lange bestehende reale Bedrohung für die Erde und die Menschheit dar".  Nicht zuletzt bei der Wahl des Europäischen Parlamentes im Mai dieses Jahres formierte sich die Jugend über das Internet mit einem millionenfach angeklickten Video des Youtubers Rezzo ("Die Zerstörung der CDU"), dem sich der Aufruf von über 30 weiteren bekannten Internet-Stars anschloss, der dazu aufrief, die etablierten Parteien nicht zu wählen: "Wählt keine Partei, die so wenig im Sinne der Logik und der Wissenschaft handelt und nach dem wissenschaftlichen Konsens mit ihrem Kurs unsere Zukunft zerstört." Das Wahlergebnis war dann auch eindeutig: Die etablierten Parteien haben die Jugend verloren. 

 


"Wir leben zwar in einer Demokratie, aber der Souverän, die Bürger und Bürgerinnen, bringt sich zu wenig ein. Wenn ich kleine Kinder hätte, würde ich eine Elterninitiative gründen, jeden Tag vor dem Wirtschaftsministerium für eine nachhaltigere Ökonomie demonstrieren und sagen: Leute, so geht das nicht, ihr verspielt die Zukunft unserer Kinder! Aber das passiert nicht. So kommt es dann, dass die Autoindustrie sich durchsetzt und Frau Merkel sich in Brüssel für weniger strenge Abgasgrenzwerte einsetzt." ( Harald Welzer, Sozialpsychologe und Direktor der "Stiftung für Zukunftsfähigkeit")


Die Rente geht so nicht mehr

 

Ohne jetzt ins Detail zu gehen, Berge von Argumenten und Lösungsversuchen zieren die politische Landschaft, liegt es natürlich auf der Hand, dass das Rentensystem durch die Entwicklung zunehmend unter Stress gerät. Im Umlagesystem zahlen immer weniger immer länger für immer mehr. Während die Elterngeneration der Baby-Boomer noch zu den größten Profiteuren zählt, gerät die Generation der 1955-1965 Geborenen bereits die Abwärtsspirale, das Rentenniveau wird zwangsläufig abgesenkt. Für die nächste Generation deuten sich weitaus höhere Rentenbeiträge bei einem noch niedrigeren Rentenniveau an, garniert mit einer Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre. Der Generationenvertrag bekommt zunehmend Schlagseite. Natürlich beginnen die Jungen langsam zu murren, wer könnte es ihnen verdenken? 

 

Erste größere Diskussionen löste bereits die Rente mit 63, die Mütterrente und zuletzt die Grundrente aus, für die einen eben gut, für die anderen kostet sie Milliarden. Geschenke für die Rentner? Eine Frage der Perspektive. Der Vorwurf steht im Raum, dass sich kein Politiker traut, gegen die Lobby der Alten vorzugehen, da sie am Wahltag die stärkste und ausschlaggebende Fraktion darstellt. Hinter diesen Vorwürfen und Diskussionen verbergen sich grundsätzliche gesellschaftliche Fragen der Verteilung. Denn diese Milliarden fehlen wiederum bei der Ausgestaltung der Kinderbetreuung, Ausbildung, der Universitäten, der Förderung junger Familien – alleinerziehende Mütter mit gigantischem Armutsrisiko gehören zu den Schlusslichtern beim Sozialstatus in unserer Gesellschaft. Ist das gerecht? 

 

Ganz sicher ist die Frage berechtigt, warum Beamte und selbstständige Gutverdiener nicht in die Rentenkasse einbezahlen müssen. Es gibt bei unseren europäischen Nachbarn viele gute Beispiele, wie man es anders machen könnte, von der Konstruktion der Rentenversicherung als „Erwerbstätigen-Versicherung“, in die eben alle einbezahlen, bis hin zum norwegischen oder dänischem Staatsfonds, der das Geld der Bürger verwaltet. Privatwirtschaftliche Lösungen wie die „Riester-Rente“ in Deutschland gelten als gescheitert, sie sind viel zu teuer. Der Allmacht der Finanzlobby ist es geschuldet, dass es bis heute keine staatliche Lösung gibt. Der staatliche „Vorsorgefonds“ wird seit Jahren diskutiert, aber es hat offensichtlich niemand besonders eilig, ihn umzusetzen. Dabei drängt die Zeit.


Strategiefindung beruht auf erfahrungswerten. Als ältere generation sollten wir uns deshalb aktiv in die diskussion und gestaltung der zukunft einbringen. wir verfügen über ein wissen, das jetzt gebraucht wird.