Die Welt nach Corona: Alles bleibt anders

Wie immer: „Nichts wird so sein wie zuvor.“ 

 

Wir sind nun nicht gerade ein Coachingclub für Hipster, von daher gehen wir davon aus, dass Sie zu Ihren Lebzeiten schon mehrere krasse historische Einschnitte erlebt haben. Denn unterm Strich  waren die vergangenen 30 Jahre eine Epoche der systemischen Schocks – die Corona-Krise trägt die Startnummer Vier und passiert jetzt gerade. Mal ein Blick zurück: Als erster Systemschock nach dem kalten Krieg gilt der Fall der Berliner Mauer und das Ende der bipolaren Welt. Das „Ende der Geschichte“ war in aller Munde, der endgültige Sieg der Freiheit wurde zelebriert. Heute stehen sich wieder zwei Lager gegenüber: Freiheitlich demokratische Staaten versus illiberale Autokratien. Dann kam der 11. September 2001. Der islamische Terrorismus begann die Welt zu bedrohen. Wenige Jahre später war auch diese Bedrohung „normal“. Zuletzt, 2008, erschütterte die Finanzkrise mit der Folge einer bedrohlichen Euro-Krise die Welt, die Kernschmelze des Weltfinanzsystems stand als reale Gefahr im Raum. Wenige halbherzige Reformen und viel viel Geld später wurde auch diese Krise zur Geschichte, wiewohl wir noch heute unter Nullzinsen, zu hohen Mieten und den in der Folge aufkommenden rechtspopulistischen Parteien leiden. 

 

Was all diese Krisen eint: Immer wieder hieß es, die Welt wird nicht mehr dieselbe sein, alles wird anders werden danach und überhaupt sei dies der große Wendepunkt. Aber ganz ehrlich: Es hat sich jedes mal gezeigt, wie vergesslich doch der Mensch ist. Er geht zur Tagesordnung über – abgesehen von ein paar notwendigen Korrekturen – und das war´s dann. Punkt. 

 

Was macht die Corona-Krise so anders?

 

All diese Krisen wären ein Einstiegspunkt in ein neues, anderes Wertesystem gewesen, aber es ist nie passiert. Die jetzige vierte systemische Krise ähnelt einer Bedrohung, die wir bisher eher aus apokalyptischen Katastrophenfilmen kennen, die wirtschaftlichen Folgen ähneln denen der Finanzkrise. Und doch, uns scheint, sie hat eine neue Qualität: Denn sie ist eingebettet in eine viel größere Krise, die oftmals verdrängt wird: Die sich zuspitzende Klimakrise, die sich nun ganz konkret erlebbar in Form eines menschenfeindlichen Virus bemerkbar macht, wenn auch auf Umwegen. Denn das Coronavirus ist ein Schlag ins Gesicht der Globalisierung: Wir erleben gerade in Echtzeit, wie schnell und gnadenlos eine vernetzte globalisierte Weltwirtschaft kollabieren kann. Wir sehen in vielen Bereichen die negativen tödlichen Folgen der Privatisierung von Allgemeingütern, die nach neoliberaler Ideologie tot gespart wurden. „Wir erleben die Bankrott-Erklärung der gesamten Wirtschaftslehre.“ (Jeremy Rifkin) 

 


“Nach dieser Krise ist es an der Zeit, den Planeten nachhaltig zu gestalten. Es wird keine zweite

Chance mehr geben.” (Jeremy Rifkin im Interview)


Dazu: Der Klimawandel löst eine Massenmigration aus, auch von Tieren, nicht nur von Menschen. Tiere müssen ihr Terrain verlassen und verschleppen Viren, die dann durch die Menschen weiterverbreitet werden. Die Menschen leben heute in riesigen Städten und urbanen Zentren - die  Brennpunkte für Ansteckungen. Wir erkennen, das alles mit allem zusammenhängt, und wir ein Teil davon sind, entgegen unserer Annahme nicht unverwundbar. Wissenschaftler warnen, dass dies auch nicht das letzte Virus sein wird, das uns heimsucht. Die Grundlagenforschung dazu stagnierte in den letzten 10 Jahren, weil sie keine Mittel mehr bekam. Kein Profit – kein Geld.  Und der letzte, vielleicht sogar entscheidende Punkt, ist unsere neue Erfahrung: Die übermobile Gesellschaft steht still, das gesellschaftliche Leben hat Abstandsregeln, die Konsumfreude erlischt. Luft, Flüsse und Meere erholen sich, Tiere erkunden neugierig geworden unsere stille Welt. Wir müssen lernen, alte Qualitäten neu zu entdecken, wieder selbst kreativ sein, zwangsentschleunigt erfahren wir wieder, wie wichtig Gemeinschaft, Solidarität und unser nächstes Umfeld sind. Und wir staunen, wie wichtig plötzlich die sind, die sonst unterbezahlt die Jobs machen, ohne die eigentlich nichts geht. 

 

Wenn es jemals eine volle Breitseite gegen unsere Art auf diesem Planeten zu leben gegeben hat, dann ist es dieses kleine Virus: Theorie und Praxis unserer maßlosen Plünderung stellen sich als das raus, was sie sind. Als gefährlicher Irrweg in einer begrenzten Welt. 


„Die Reduktion der Luftverschmutzung aufgrund von Covid-19 in China hat vermutlich zwanzigmal so viele Leben gerettet, wie durch das Virus bisher verloren gingen. Das heißt nicht, dass Pandemien gut sind, aber es zeigt, wie gesundheitsschädlich unsere Wirtschaftssysteme sind, auch ohne Coronavirus.“  (Marshall Burke, Universität Stanford) 


Wie geht´s weiter? Das liegt ganz bei uns! 

 

Gibt man „Die Welt nach Corona“ bei Google ein, dominiert ein vom Timing her brillant platzierter Aufsatz von Matthias Horx die Suchergebnisse. Ein Zukunftsforscher mit großem Namen, der in der Vergangenheit auch schon mal das Internet als Massenmedium für untauglich hielt und Facebook die Zukunftsfähigkeit absprach. Also auch nur ein Mensch der Mann. Die Wahrheit ist wohl, dass wir es nicht wissen können – wir werden es herausfinden müssen. Driftet die Welt nun eher nach rechts oder nach links? Keiner weiß es so genau. Wie groß wird die Depression werden, die als Folge des Stillstands unvermeidlich sein wird? Werden wir nach dieser Krise einfach so weitermachen wie bisher? Oder werden wir diese einmalige Chance nutzen, um gemeinsam etwas Grundlegendes zu verändern? Unser Bitte an Sie: Kehren Sie nicht einfach in den Alltag zurück, wenn es soweit ist, als wäre nichts geschehen. Nehmen Sie mit, was Sie in dieser Zeit über sich und die Welt gelernt haben, und setzen Sie sich dafür ein, dass wir es in Zukunft besser machen, damit wir eine Zukunft haben! 

 

„Wir reagieren auf einen Schock nicht immer mit Regression. Manchmal wachsen wir auch angesichts einer Krise – und zwar schnell.“

(Naomi Klein)


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